– Warum sind in St. Peter und Paul Orgelpfeifen oberhalb des Altares zu sehen? –
Wenn man den Kirchenraum von St. Peter und Paul vom Haupteingang her betritt, schaut man nach vorn, zum Hauptaltar. Die Linienführung in der Kirche läuft auf ihn zu, und so wird der Blick unweigerlich auf dieses Zentrum gezogen. Besonders als Kirchenmusiker nimmt man daher beim Betreten der Kirche sofort die Orgelpfeifen im oberen Teil des Altars, dem Altarauszug, wahr. Die Orgel auf den Emporen sieht man zunächst gar nicht, denn da steht man ja noch darunter. Bei manchen Kirchenbesuchern entsteht daher der erste Eindruck, die Kirche besitze eine Altarorgel, also eine in den Hauptaltar integrierte Orgel, die für die Gemeindebegleitung verwendet werde. Erst beim weiteren Begehen der Kirche und beim Sichumsehen kommt die Orgel auf den rückwärtigen Emporen in den Blick. Dann wird allerdings aufgrund der heutigen Größenverhältnisse sofort klar, dass das Orgelwerk auf den Emporen mindestens die Hauptorgel sein muss, selbst wenn die Pfeifen im Altarauszug noch eine musikalische Funktion besitzen. Oft entsteht dann genau die Frage, ob diese Pfeifen im Hauptaltar erklingen und von der Orgel auf den Emporen mit angespielt werden können. Das ist leider nicht der Fall, die Orgelpfeifen des Altars können heute überhaupt nicht mehr zum Erklingen gebracht werden, denn das zugehörige Orgelwerk wurde schon im Jahr 1905 ausgebaut und der Prospekt dadurch stillgelegt.

Hier wird klar, dass es in St. Peter und Paul über längere Zeit zwei Standorte für Orgeln gegeben hat. Neben der für den Gesang und die Kirchenmusik der Gemeinde benutzten Kirchenorgel auf den rückwärtigen Emporen gab es den Standort im Bereich des Hochaltares bzw. des dahinter befindlichen Chorraumes. Dieser Raum wurde vom Klosterkonvent der Franziskaner für den Choral verwendet. Zweifelsfrei diesem Standort zugeordnet werden kann ein Orgelneubau durch den Franziskaner Adam Oehninger im Jahr 1701, also bereits vor Errichtung des aktuellen Kirchenbaus in den Jahren 1737 bis 1745. Diese Orgel besaß acht Register, darunter einen „doppelten Subbaß“ und wurde von Oehninger „vor Köstigung gratis ohne entgeltung“ erbaut. Dieses Instrument wurde in der Folge sowohl vom Klosterkonvent „zum choral“ als auch von der Gemeinde „zu der music“ genutzt. Für diesen Orgelneubau wurden zum Teil Pfeifen eines Vorgängerinstumentes, das 1670 entstanden war und möglicherweise bereits im Bereich des heutigen Altares und Chorraumes aufgestellt war, verwendet. Jedenfalls aber stammt vom Orgelneubau aus dem Jahr 1701 der Prospekt, der heute im Altarauszug zu sehen ist. Im Jahr 1744, also im Zuge des Kirchenneubaus, wurde nämlich diese Chororgel durch Johann Philipp Seufert aus Würzburg um zwei Register erweitert und der Prospekt in den Hochaltar eingebaut. Dort ist er mit seinem Mittelturm, zwei Flachfeldern und zwei Spitztürmen heute noch zu sehen.
Der Spieltisch dieser Chororgel befand sich im Chorraum. Im Jahr 1905 erfolgte dann ein Neubau der Chororgel durch Balthasar Schlimbach aus Würzburg, wobei das Orgelwerk nun komplett im Chorraum aufgestellt wurde. Somit blieb ab diesem Zeitpunkt der Prospekt im Hochaltar stumm. Im Jahr 1916 wurde diese Chororgel durch die Orgelbaufirma Gebrüder Späth aus Ennetach erweitert und im Jahr 1968 nochmals durch Pater Lambert Hertweck umgebaut. Im Zuge von Umbaumaßnahmen im Franziskanerkloster in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde sie schließlich stillgelegt und abgebaut. Den Spieltisch der Chororgel kann man heute im Heimatmuseum des Heimat- und Geschichtsvereins in der Hirtengasse 5 in Salmünster besichtigen – wenigstens sobald es wieder öffnen darf, was derzeit die Corona-Maßnahmen verhindern.

Im morgigen Blog-Beitrag wird es dann um den zweiten Orgelstandort in St. Peter und Paul gehen, die rückwärtige Empore … und damit endgültig zum eigentlichen Gegenstand unseres Interesses.
Quelle für historische Informationen zu den Orgeln in St. Peter und Paul sowie vieler weiterer Orgeln im Umkreis sind die Monografie „Die Orgeln des ehemaligen Kreises Schlüchtern“ aus dem Jahr 1975 von Gottfried Rehm, der Professor für Musikpädagogik an der Fachhochschule Fulda war, und weitere Publikationen dieses Autors.

Cool. Eine unserer Stammkirchen. Und wieder etwas Neues entdeckt. Fast so spannen wie ein Besuch vor Ort.
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